Wie ich Instagram Schritt für Schritt aus meinem Business (und Leben!) verbannte

Gastartikel von der wundervollen Alexandra Polunin

Es ist Donnerstag, kurz nach Mitternacht. Der Hund schnarcht leise neben mir und auch der Rest der Familie schläft bereits seit Stunden. 

Nur ich sitze hellwach im Bett, das Smartphone in der Hand, und denke nach. 

Über einen doofen Kommentar, den ich von einem Menschen, den ich noch nicht einmal persönlich kenne, auf Instagram unter einem Post bekommen habe.

Dieser Kommentar lässt mich nicht los. Er lässt mich nicht schlafen. Er sorgt dafür, dass ich ständig neue Kreise in meinem Gedankenkarussell drehe und so sehr an mir und meinen Fähigkeiten zweifle, dass mein Kopf pocht. 

Nicht, dass mir kurz nach Mitternacht noch eine schlagfertige Antwort einfallen würde (schließlich ist mein Hirn ab dem frühen Abend nicht mehr im Arbeitsmodus), aber ich kann das Smartphone einfach nicht aus der Hand legen. 

Ich bin wie … besessen.

Wenn dir diese oder ähnliche Situationen bekannt vorkommen, geht es dir vielleicht wie vielen Selbstständigen und Einzelunternehmer:innen auch: Instagram kostet Kraft.

Das tägliche Onlinesein.

Die Energievampire.

Das ständige Vergleichen mit anderen.

Dieser Lärm.

Gerade für leise, sensible oder introvertierte Menschen bedeutet jeder Post, jede Story, jedes Reel, jedes Live-Video eine ungeheure Überwindung, die sich irgendwann einfach nicht mehr kompensieren lässt.

Instagram Alexandra Polunin Gastartikel

„Wenn es unseren inneren Frieden kostet, ist es zu teuer.“

So ging es mir zumindest im August 2020, als ich spürte: Ich will das alles nicht mehr. Ich bin nicht mehr bereit, den Preis für einen Instagram-Account zu zahlen.

Nun ist es ja eine Sache, sich als Privatmensch von seinen Social-Media-Kanal zu verabschieden. Aber als Unternehmerin? 

Muss ich denn nicht auf Instagram sein, wenn ich selbstständig bin? Wie mache ich ohne Instagram dann online auf mich aufmerksam? Und wie finde ich dann überhaupt noch Kund:innen? 

Diese Fragen hielten mich davon ab, Nägel mit Köpfen zu machen und mein Instagram-Konto von heute auf morgen zu löschen. 

Stattdessen entschied ich mich, langsam und behutsam vorzugehen und mich in meinem eigenen Tempo von einer der bedeutendsten Social-Media-Plattformen aller Zeiten zu verabschieden.

Brauche ich Instagram wirklich für mein Onlinebusiness?

Zunächst wollte ich eine Basis aus Zahlen und Fakten schaffen. Wenn Instagram wirklich so essentiell für Selbstständige war, wie es diese Stimmchen in meinem Kopf oder Marketingexpert:innen auf Instagram behaupteten – muss sich das denn nicht anhand von Zahlen belegen lassen?

Ein Blick in Google Analytics verriet mir aber, dass die meisten Menschen durch Google zu mir auf die Website kamen. Oder durch Gastartikel und Interviews. Oder weil sie in meinem Newsletter auf einen Link klickten. Noch nicht einmal ein Prozent aller Websitebesucher:innen kam tatsächlich von Instagram. 

Ein Prozent – dafür, dass ich täglich bis zu zwei Stunden auf Instagram verbrachte, mich zu Aufgaben quälte, die mich nicht erfüllten, mich von Fremden im Internet stressen ließ und mich Vergleicheritis herumplagte, war das recht … bescheiden.

Wollte ich wirklich 720 Stunden im Jahr zu trendy Songs in die Kamera tanzen, während ich mit meinem Finger in sämtliche Richtungen zeigte, um später an diese Stellen „Tipps“, „Hacks“ oder „Ideen“ einzublenden und damit gerade mal ein Prozent aller Menschen zu erreichen, die mich online finden? 

Oder konnte ich diese Zeit nicht sinnvoller nutzen, indem ich sie z.B. in die Strategien investierte, die sowieso schon bei mir funktionierten und mir dazu noch Spaß machten?

Onlinebusiness ohne Instagram? Möge das Testen beginnen!

Soweit die Theorie. Doch funktioniert ein Instagram-loses Business dann auch in der Praxis?

Ich wusste, dass mir niemand diese Frage beantworten würde – schließlich nutzen ja auch (fast) alle anderen Unternehmer:innen Social Media – und dass ich das selbst testen und meine eigenen Erfahrungen sammeln müsste. 

Also launchte ich das allererste Mal (ohne Social Media) meine Mastermind und … verkaufte 9 von 10 Plätzen.

Ich launchte meinen Pinterest-Onlinekurs und erreichte – auch ohne Social Media – mein Umsatzziel, sodass ich das erste Mal einen sechsstelligen Jahresumsatz hatte.

Ich launchte noch einmal und noch einmal … und Menschen kauften, auch ohne dass ich auf Instagram schrie: Kauft den Kurs! Kauft den Kurs! KAUFT DEN KURS!!!

Wer hatte nochmal behauptet, dass ich zwingend Social Media brauchte, um meine Onlineprogramme an die Frau zu bringen?!

Ich konnte nicht glauben, dass all die Thesen über Social Media – zumindest für mich – so nicht stimmten.

Wie geht es mir ohne Instagram eigentlich?

Doch was ist mit der psychischen Seite an der Geschichte? 

Wer bin ich, wenn ich nicht mehr auf Instagram sein muss?

Was will ich, wenn ich nicht mehr lese, was Expert:innen für mein Business raten?

Was mache ich, wenn ich täglich zwei Stunden mehr zur Verfügung habe?

Meine allererste Amtshandlung nach meinem Entschluss, kein Insta mehr zu nutzen, und dem dauerhaften Deinstallieren der App: schlafen.

Ich kann nicht glauben, wie viel Müdigkeit, Erschöpfung und Stress sich in meinem Körper angesammelt hat und jetzt – wo ich es nicht mehr durch den Instagram-Lärm betäube – endlich ausbricht. 

Zweite Amtshandlung: Zweifeln.

Was fange ich mit meinem Arbeitstag an, wenn ich nicht ständig Grafiken erstellen, Captions vorbereiten, Hashtags recherchieren, auf Kommentare reagieren, Storys drehen und Beiträge liken muss?

Ich fühle mich lost ohne Instagram. 

Seltsam orientierungslos.

Bis sich einige Wochen später auf einmal eine tiefe Ruhe in meinem Kopf einstellt.

Ich gehe mit dem Hund in den Wald und frage mich plötzlich nicht mehr, ob ich davon jetzt eine Story drehen muss. Ich bin einfach draußen. Ich esse Frühstück, ohne durch den Feed zu scrollen. Ich atme ein und aus, ohne irgendwas an meinem Smartphone zu checken. Instagram spielt keine Rolle mehr in meinem Leben – und nimmt keinen Platz mehr in meinem Kopf ein.

Und dann beginne ich zu schreiben. Weil Schreiben das ist, was ich schon immer wollte, konnte und sollte.

Jetzt, wo ich keine Ahnung habe, wie „man“ Blogartikel, Newsletter oder Bücher schreibt (schließlich lese ich keine „inspirierenden“ Instaposts mit Tipps, Tricks oder Hacks mehr), mache ich einfach das, was mir richtig erscheint.

Es ist, als hätte sich irgendein Schalter umgelegt. Irgendein Schleier gelichtet. Als wäre eine innere Stimme, die jahrelang betäubt und unter Verschluss gehalten wurde, plötzlich wieder da. Und sie hatte was zu sagen! 

Ein Leben ohne Instagram? Nicht nur möglich, sondern so viel erstrebenswerter als mit.

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Minikleine Schritte statt großen Sprung

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich auf meinem Weg von Instagram minikleine Schritte gegangen bin, anstatt auf Cold Turkey zu setzen?

Die Instagram-App deinstallieren zum Beispiel. Hat sich früher fast schon verboten angefühlt, doch nach ein paar Versuchen dann seltsam routiniert. Am Freitagabend Instagram deinstallieren, richtig Wochenende machen und dann merken: Die Welt dreht sich weiter, auch wenn ich nicht auf Instagram bin. Irgendwann habe ich dann jedes Wochenende so verbracht. Minikleine Instagram-Auszeit. So gut. 

Oder Instagram-Accounts entfolgen. Nicht nur denjenigen, die mir sowieso nicht gut getan haben, sondern allen. Einfach um zu gucken, wen ich überhaupt vermisse, von den dreihundert Accounts, denen ich glaubte, unbedingt folgen zu müssen. Haben sich einige Menschen vor den Kopf gestoßen gefühlt? Oh ja. Aber auch hier habe ich wieder verstanden: Die Welt dreht sich weiter, auch wenn mich einige Menschen auf Instagram doof finden. Verrückt.

Eine längere Instagram-Pause einzulegen und dann irgendwann sogar den Instagram-Account zu deaktivieren, war dann gar nicht mehr so ein beängstigender Schritt, sondern ein folgerichtiger. Ein: „Ach komm, dann mache ich es halt jetzt, dann hab ich’s endlich hinter mir.“  

Ein ganzes Jahr hat mein offizieller Abnabelungsprozess von Instagram gedauert. 

Zähle ich die ersten zaghaften „Ich wünschte, ich könnte auch ohne Insta selbstständig sein“-Gedanken dazu, sogar noch länger. 

Als ich dann im September 2021 die unwiderrufliche Löschung des Instagram-Kontos beantragte, hatte ich dann auch überhaupt kein Herzklopfen und keine schwitzigen Hände mehr. Es war einfach an der Zeit.

Von Social-Media-Junkie zu Social-Media-frei

Inzwischen habe ich nicht nur Instagram gelöscht, sondern auch Facebook. Mein Leben und Business sind Social-Media-frei. 

Und nicht nur das: Auch der Schwerpunkt meines Onlinebusiness hat sich geändert. Denn nun berate ich auch andere Selbstständige dabei, sich ihr Onlinebusiness unabhängig von Social Media aufzubauen. Mit nachhaltigen und langfristigen Strategien wie Website, Blog oder Newsletter.

Nicht alle meine Kundinnen wollen es mir nachmachen und gleich all ihre Profile löschen. Aber sie wollen Wahlmöglichkeiten haben, nicht immer nur nach Mark Zuckerbergs Regeln spielen müssen, sondern ihre Selbstständigkeit selbstbestimmt gestalten und sich mehr an ihren Stärken, Fähigkeiten und Werten orientieren als am Algorithmus. 

Du hast auch keine Lust, dein Gesicht ständig in die Kamera zu halten und Menschen auf Instagram „hinter die Kulissen“ mitzunehmen? Inzwischen weiß ich: Du bist nicht alleine. Wir sind viele. Werden immer mehr. 

Und: Wir sind absolut in Ordnung – so, wie wir sind.🧡

Alexandra Polunin, Marketing ohne Social Media

Mehr über Alexandra Polunin

Alexandra Polunin glaubt daran, dass Social Media keine Pflicht für Online-Unternehmer:innen ist, sondern nur eine von vielen Optionen. In ihren Mentorings und ihrer Mastermind unterstützt sie ihre Kund:innen dabei, auch ohne Social Media online sichtbar zu werden, Vertrauen zu potentiellen Kund:innen aufzubauen und Dienstleistungen oder digitale Produkte zu verkaufen. 

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